Ich weiss nicht mal, ob ich befugt bin, das Thema Frauendiskriminierung anzusprechen. Und wenn, ob ich wirklich die Realität schildere oder doch nur meine voreingenommene Sicht darauf. Vielleicht verstehe ich als Mann alles falsch. Trotzdem hoffe ich, anderen Männern ein wenig die Problematik zu erläutern, der sie so blind gegenüberstehen. Aber allein mit diesen Gedanken reflektiere ich das Problem schon mehr als gefühlte 90% der restlichen „Herren der Schöpfung“.
Männer verstehen Frauen nicht. Frauen verstehen Männer nicht. Vielleicht muss deshalb auch mal als Mann für Männer über Diskriminierung von Frauen schreiben.
Man sollte weder Männer noch Frauen alle über einen Kamm scheren. Aber meine Geschlechtsgenossen sind teilweise so ignorant und borniert, dass ich ausflippen könnte. Sie merken nicht mal, wie sie mit dieser Einstellung Frauen verletzen.
Was mir die Augen für diese Sichtweise geöffnet hat, war der Themenabend „Frauen und so …“ am 14.01. im „Dicken Engel“ Mumble Kanal. Das eigentliche Thema: Diskriminierung von Frauen in der Piratenpartei. Ausgelöst hat die Diskussion offenbar Frau Meiritz mit einem Artikel im SPIEGEL über ihre persönlichen Erlebnisse bei einem Parteitag der Piraten.
Darin beklagt sie offenbar (mir liegen nur Auszüge vor, aber es geht hier ja auch nicht um den Artikel), dass sie von mindestens einem männlichen Piraten sexistisch behandelt wurde. Ich finde es zwar nicht schön, dass sie daraus einen Vorwurf an ALLE männlichen Piraten konstruiert, aber ich bestreite nicht, dass das Problem existiert.
Womit ich offenbar schon weiter bin als viele andere Männer. Viele der Frauen in der Mumble-Diskussion sagten sinngemäss sowas: „Es gibt überall sexistische Bemerkungen, oft unter vier Augen, manchmal aber auch so subtil in der Öffentlichkeit, dass es geduldet wird.“
Nach meinen Geschmack viel zu viele Männer reagierten darauf mit: „Mag sein, dass es sowas gibt, aber nicht in unserem LV.“
Aber das Problem in der geistigen Haltung wird in der folgenden Diskussion noch deutlicher.
Teilweise kommt es sogar zum Versuch, den Frauen zu erklären, wann sie sich diskriminiert zu fühlen haben und wann nicht.
Um Ordnung in die Debatte zu bekommen, wurde eine Redeliste eingeführt. Teilweise wurden von den männlichen Teilnehmern Fragen an die Frauen allgemein gestellt. Um die Frauen dann zeitnah zu Wort kommen zu lassen, wurden sie in der Redeliste vorgezogen. Macht in meinen Augen Sinn, wenn man die „Experten“ zu einem Thema befragt, diese auch direkt antworten zu lassen. Dachte ich. Was aber folgte, war ein vielstimmiger Aufschrei der Entrüstung. Das wär ja Bevorzugung, da würden ja jetzt die Männer diskriminiert, das ginge ja gar nicht.
Hallo? Wie ignorant und borniert muss man sein? Wenn auch nur die leiseste Gefahr besteht, dass man auch nur in einer einzigen Diskussion als Mann einen Hauch von zurücktreten muss, denken einige offenbar, dass der Weltuntergang nahe ist. Und hier ging es nur um die Reihenfolge bei Redebeiträgen.
Dass genau diese Attitüde für eine latente Diskriminierung sorgt, ist den Protagonisten nicht mal im Ansatz bewusst. Sie verstehen es einfach nicht.
Der Umkehrschluss aus dieser Haltung ist: Diskriminierung erdulden müssen alle anderen Gruppen. Bloss wir nicht.
Das kann man fast schon mathematisch beschreiben: Wenn man als Mann aus Sorge vor Diskriminierung sich so vehement wehrt, dass zumindest der Status Quo erhalten bleibt, bedeutet das:
Diskriminierung Männer <= Diskriminierung andere Gruppe
Da es in den allerwenigsten Fällen gelingt, zu 100% gerecht zu sein, fällt das Gleichheitszeichen meist weg. Wenn man dann die „Ungleichung“ umdreht, steht da:
Diskriminierung andere Gruppe > Diskriminierung Männer
So sieht es in der Realität aus. Alle möglichen Gruppen werden diskriminiert, aber wehe, man rüttelt an der Vorherrschaft des Mannes.
Das das funktioniert, beruht auf dem „Recht des Stärkeren“. Wenn andere diskriminiert werden, wird beschwichtigt: „Jetzt mach mal nicht so einen Aufstand.“, „So schlimm ist das ja auch nicht.“
Wenn dann Frauen in einer Diskussion (wohlgemerkt über Frauen!) bevorzugt reden sollen, dann wird die „Anti-„Diskriminierungskeule geschwungen („Ihr könnt doch jetzt nicht Frauen bevorzugen, dann werden ja die Männer diskriminiert. Davon wird’s auch nicht besser!“), bis jedweder Widerstand erlöschen muss. Gegenfragen werden abgekanzelt, bei Klärungsversuchen werden stattdessen Nebenkriegsschauplätze aufgemacht, bis die Gegenwehr erlahmt.
Nachdem einige Frauen dann entnervt den Kanal verlassen haben, wird von den weiterhin anwesenden Männern zum Teil Unverständnis für die Reaktion bekundet. Das ist tatsächlich mal treffend. Unverständnis bedeutet, man hat was nicht verstanden. Da die Männer allerdings glauben, das „Problem“ liege bei den Frauen, haben sie noch nicht mal verstanden, WAS sie nicht verstehen: dass das Problem nämlich bei ihnen und ihrer herablassenden Art liegt. Von oben herab zu beurteilen, was schief läuft, ist einfach. Den Diskriminierten aber auch noch erklären wollen, wodurch sie diskriminiert werden, ist taktlos und zeugt von einer Selbstüberschätzung, die unempfänglich dafür macht, dass man Teil des Problems sein könnte.
Ich habe allerhöchsten Respekt vor der Leidensfähigkeit von Frauen, auch wenn sie hier manchmal kontraproduktiv ist. Sie leiden still trotz schwerwiegender persönlicher Angriffe, während die Männer bei jeder Kleinigkeit anfangen, sich ausgiebig zu beklagen. Das ging so weit, dass die Frauen, um die es ja eigentlich mal am Anfang der Diskussion ging, irgendwann kaum noch zu Wort kamen, weil testosterongesteuerte Weicheier heldenhaft ihr Recht auf einen Redebeitrag verteidigen mussten. Und wahrscheinlich jetzt noch glauben, sie hätten nichts falsch gemacht. Da verzweifelt man doch!
Wahrscheinlich mache ich mich gerade bei meinen Mitmännern unbeliebt. Wenn ich daneben liege mit meinen Thesen, helfe ich noch nicht mal den Frauen. Aber die fadenscheinigen männlichen Diskussionsbeiträge haben mir den Rest gegeben. Es ist ungesund, Frust herunterzuschlucken. Drüber zu schreiben scheint mir eine gesündere Methode, damit umzugehen.
Auch eine andere „Sorte“ Männer wurde von den Frauen angesprochen – selbsternannte sogenannte „Frauenversteher“. Sie fallen mit Sprüchen auf wie: „Ich kann auch gut mit Frauen zusammenarbeiten!“ und glauben dabei offenbar, dass sie da was Positives von sich geben. Dabei gehen sie davon aus, dass es was Besonderes sei, mit Frauen zusammenarbeiten zu können, so als wären Frauen keine richtigen Menschen oder schwer von Begriff. Das ist nicht verständnisvoll, sondern einfach nur herabwürdigend.
(Ich bilde mir beispielsweise auch ein, mit 90% aller Menschen gut zusammenarbeiten zu können. Von den anderen 10% sind wiederum 90% aber seltsamerweise Männer. Da bleibt dann noch insgesamt 1% weiblicher Menschen übrig, mit denen ich nicht zurechtkomme. Idioten gibt es tatsächlich überall, sogar bei Frauen. In Anbetracht der Zahlen sage ich aber eher: „Ich kann auch gut mit Männern zusammenarbeiten!“)
Auch das folgende Beispiel für alltägliche, latente Diskriminierung stammt von einer Frau: Bei ihrem Minijob (in unserer Region arbeiten übrigens über 40% der Frauen in einem Minjob – auch eine Art der Diskriminierung) muss sie Regale im Lebensmittelhandel einräumen. Dabei arbeitet sie auch mit Männern zusammen. Wo gehobelt wird, fallen Späne, es geht also auch mal was zu Bruch. Fällt einer Frau z.B. eine Flasche Wein runter, geht sie Putzzeug holen und macht sauber. Passiert das einem Mann, schaut er erst mal verständnislos und fragt sich, was zu tun ist. Wenn er dann aufgefordert wird, selbst aufzuwischen, scheint für ihn eine Welt zusammenzubrechen. Wieso soll ER jetzt sich darum kümmern? Offenbar erwartet er, dass jemand für ihn den Dreck wegmacht. So auf die Tour: „Wofür gibt es denn PutzFRAUEN?“
Solche Verhaltensmuster lassen den Hobby-Psychologen in mir nicht in Ruhe. Hier kommt offenbar ein tiefer sitzendes Weltbild zum Vorschein, dass den Mann denken lässt, er sei was Besseres.
Einzelfälle mag man denken. Oder Einzelkinder. Verzogen von ihren Eltern, vielleicht hat die Mama immer hinterhergewischt. Insofern könnte man glatt auf die Idee kommen, das Problem wurde von Müttern – und damit von Frauen selbst – mitverursacht. Aber das kann wohl kaum die ganze Wahrheit sein. Ich schreibe hier bisher von alltäglicher Diskriminierung ohne physische Gewalt. Teilweise haben sich Frauen schon daran gewöhnt, so dass sie die Diskriminierung als solche gar nicht mehr wahrnehmen.
Aber Mütter bringen ihren Söhnen nicht bei, auf Frauen herabzusehen, sie zu verachten oder zu missbrauchen. Dieses Verhalten wird eher durch Väter geprägt, die ein entsprechendes Weltbild zuhause vermitteln. Was in keiner Weise frauenfeindliches Verhalten entschuldigen soll. Schliesslich soll jeder selbst denken.
Selbst denken heisst aber nun mal nicht, nur an sich selbst zu denken.